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Di, 14:27 Uhr
21.02.2017
Premiere am Nordhäuser Theater

„Die Seele erzählt nicht, sie tanzt“

Provinziell war das nicht, was die Truppe von Ballettchef Ivan Alboresi da auf die Bühne brachte. Frenetischer Jubel und stehender Applaus waren zu Recht das Ergebnis eines nachhaltig beeindruckenden Ballettabends. Eine Betrachtung von Johannes Laubscher...

Ayako Kikuchi (Foto: András Dobi) Ayako Kikuchi (Foto: András Dobi)

„Die Seele erzählt nicht, sie tanzt“ ist der Titel der zweiten Ballettproduktion der Spielzeit in Nordhausen, die am vergangenen Freitag Premieren hatte. Bereits mit seinem „Schwanensee“ konnte das Ballett TN LOS! – die neue Ballettcompagnie des Theaters Nordhausen – ein breites Publikum begeistern: Tosender Applaus und ausverkauftes Haus bis in den Februar hinein.

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Nun hatte sich der neue Ballettdirektor einen weiteren Choreografen ans Haus geholt. Ivan Alboresi und Pedro Lozano Gomez choreographierten unabhängig voneinander je einen Teil des Abends.
Zu erwarten war weniger klassisches Ballett denn ein spannender Abend voller eindrücklicher Bilder und schöner Eindrücke und eine gesunde Mischung aus modernem Tanz und Spitzenschuhen.

Leitthemen waren die Instabilität der Welt, des Lebens und der tänzerische Ausdruck dessen, was in Worte nicht fassbar ist. Die Grenzen zwischen den Tanz-Stilen verwischten durchweg ebenso wie die Musikrichtungen. Kraftvoll bedrückend, mit einem Hauch Melancholie der erste Teil, von barocker Figuralität und zeitgenössischer Ernsthaftigkeit der zweite. Lozano, der heute in Paris lebt, inszeniert Veränderung, visualisiert die „Instabilität der Welt, die Instabilität des Lebens“, gewinnt dieser Instabilität aber auch viele gute Seiten ab.

Der katalanische Choreograph wählte überwiegend Musik des zeitgenössischen isländischen Komponisten Ólafur Arnalds, dessen Bässe teilweise durch Mark und Bein gingen. Durchaus verstörend auch eine Zwischensequenz, in der die Tänzer scheinbar fröhlich zu einem übersteuerten dreißiger Jahre Jazz-Stück klassische Tanzbewegungen ironisierten.
Der Barockkomponist Johann Paul von Westhoff, dessen Musik wie eine Vorwegnahme des Minimalismus klingt, dominierte musikalisch den zweiten Teil. Passend stellte Alboresi der Barockmusik ein heutiges, puristisches Leitmotiv von alva noto zur Seite.

Westhoffs Sonaten regten den später viel berühmter gewordenen Johann Sebastian Bach zu seinen Sonaten und Partiten an. Und der deutsche Komponist, der unter dem Pseudonym alva noto veröffentlicht, war für seinen Soundtrack zu „The Revenant – Der Rückkehrer“ bei den Golden Globe Awards 2016 in der Kategorie Beste Filmmusik nominiert. Erzählen, wofür Worte nicht taugen, ­der neue Ballettdirektor hat ein Händchen nicht nur für Ästhetik und seine Tänzer, sondern auch für Bewegung, die Gefühle ausdrückt. Wir sehen Tanz nicht um der Bewegung willen – wir nehmen etwas mit, eine Botschaft, einen Eindruck, eine Regung, eine Emotion. Ivan Alboresi ist es offenbar gelungen, seinen zwölf Tänzern eine Einheit zu schaffen, die fähig zu Höchstleistungen ist.

Das Besondere an diesem schönen Abend war auch, dass die Compagnie insgesamt ihr solistisches Potential zeigen konnte. Jeder einzelne Tänzer hatte Szenen, in denen klar wurde, dass hier hochkarätige Künstler auf der Bühne stehen.

Ausdrucksvoll, mit Grazie und Eleganz zeigten Konstantina Chatzistavrou, Giulia Damiano, András Dobi, Gabriela Finardi, Ayako Kikuchi, Joshua Lowe, David Nigro, Martina Pedrini, Johanna Schnetz, Rosario Vestaglio und Andrea Schuler nun zum zweiten Mal eine höchst beeindruckende Leistung.

Ein Bühnenbild (Ronald Winter) mit modernen wie barocken Andeutungen, eine ästhetische Lichtregie und stilvoll reduzierte Kostüme (Elisabeth Stolze-Bley) runden den fantastischen Abend ab. So eine Ballettproduktion kann sich auch in Hamburg oder Berlin sehen lassen, Respekt!
Johannes Laubscher

Der Autor ist Leiter Kommunikation und Marketing am Nordhäuser Theater
Autor: red

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