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nnz-Interview zur Bundestagswahl

Ich werde mich nicht verbiegen lassen

Donnerstag, 16. Februar 2017, 07:30 Uhr
Mit der Wahl von Stephanie Kespohl zur Direktkandidatin waren die Grünen mit einer kleinen Überraschung in das Wahljahr gestartet. Die nnz hat mit der Quereinsteigerin im Politikbetrieb über Nordthüringen, Grüne Werte und Grüne Themen in turbulenten Zeiten gesprochen...

Die Grünen aus Nordhausen, dem Kyffhäuserkreis und dem Eichsfeld haben Stephanie Kespohl zur Direktkandidatin für die Bundestagswahl (Foto: Stephanie Kespohl) Die Grünen aus Nordhausen, dem Kyffhäuserkreis und dem Eichsfeld haben Stephanie Kespohl zur Direktkandidatin für die Bundestagswahl (Foto: Stephanie Kespohl)

nnz: Frau Kespohl, die Grünen der drei Nordthüringer Landkreise haben Sie als Direktkandidaten für die Bundestagswahl gewählt. Hat der Wahlkampf für Sie schon begonnen?

Stephanie Kespohl: Ich habe gerade viel für die Grünen zu tun, momentan bereiten wir uns auf die Wahl vor. Zur Zeit arbeite ich mich tiefer in verschiedene Themengebiete ein, Verbraucherschutz und Ausweisung von Lebensmitteln, der Gipskarst, die Gebietsreform – ich will mir mehr Wissen aneignen und tiefer einsteigen. Damit hat der Wahlkampf schon begonnen, die heiße Phase geht dann aber erst gut sechs Wochen vor dem Wahlgang los.

nnz: Sie sind Quereinsteigerin und haben bisher kein politisches Amt bekleidet. Warum wollen sie sich gleich in den Berliner Politikdschungel stürzen?

Kespohl: Weil ich glaube, dass es dort Menschen braucht, die an die Politik mit Ruhe angehen und frischen Wind mitbringen. Ich glaube in der „großen Politik“ gehen die Probleme der Regionen oft unter und ich will in dieser Regionalität denken, davon brauchen wir mehr in Berlin.

nnz: Nun sind sie selber eigentlich keine Nordthüringerin, wie gut kennen Sie denn die regionalen Probleme?

Kespohl: Mein Herz ist hier, im September sind es 13 Jahre, die ich in Nordthüringen gelebt habe, familiäre Verbindungen hierher gab es schon immer. Ich denke, wir haben hier eine schöne Gemeinschaft, auch wenn manche meckern mögen, es hat sich viel in der Stadt getan. Ich habe auch in Rostock, Franken und Sachsen gelebt, was wir hier Wertvolles haben, das merkt man manchmal erst wenn man mal weg war.

nnz: Das klingt so als wäre hier eigentlich alles ganz wunderbar.

Kespohl: Ich habe hier alles was ich brauche, ich merke aber auch wie unzufrieden viele Menschen sind und das möchte ich Schritt für Schritt ändern. Vom Bundestag aus sollte man strukturell in die Tiefe schauen können, dafür muss man meiner Ansicht nach an der Basis sein. Es muss Leute geben, die sich um den Schutz unserer Natur kümmern, denen auch in Berlin unsere Kulturlandschaft in Nordthüringen nicht egal ist, die sich mit dem Lehrermangel befassen. Das sind sehr regionale Themen, Landesthemen eigentlich. Man kann und muss bei diesen Themen aber auch von Bundesseite her arbeiten, etwa über Investitionsprogramme. Es kann nicht alles am Land hängen und ich will auf die Herausforderungen vor Ort aufmerksam machen.

nnz: Als bekannt wurde, dass Sie für die Grünen antreten würden wurden schnell Stimmen laut, die Ihnen zu viel Wirtschaftsnähe vorgeworfen haben.

"Ich werde mich nicht verbiegen lassen" - Stephanie Kespohl (Foto: Stephanie Kespohl) "Ich werde mich nicht verbiegen lassen" - Stephanie Kespohl (Foto: Stephanie Kespohl) Kespohl: Das stimmt auch, ich habe Verbindungen in die Wirtschaft, etwa über die Wirtschaftsjunioren und Kontakte zum Unternehmerverband. Außerdem bin ich als Dienstleisterin für Wirtschaftsunternehmen tätig. Ich sehe darin aber kein Problem. Im Gegenteil, ich kann meine Kontakte nutzen, um mit den Unternehmern auch über grüne Themen zu reden.

nnz: Wenn Grüne Spitzenpolitiker mit den Chefs der großen Autokonzerne an einem Tisch sitzen, ist es kaum verwunderlich, dass man ihrer Partei vorwirft ihre Werte zu verraten.

Kespohl: Ich habe die Grünen Werte ganz bestimmt nicht verraten. Tierschutz, Klima- und Umweltschutz, der Erhalt unserer natürlichen Ressourcen – dafür stehe ich. Das fängt bei unseren Lebensmitteln an und zieht sich durch bis zum Gipskarst vor unserer Haustür.

nnz: Gibt es denn Bereiche, in denen Sie mit den Positionen ihrer Partei nicht übereinstimmen?

Kespohl: Auf der kommunalen Ebene nein. Auf der Bundesebene gibt es bestimmt einige Punkte, über die man reden könnte. Ich bin absolut gegen Kriegseinsätze, für den Afghanistan-Einsatz zum Beispiel hätte es meine Stimme nie gegeben. Allgemein muss man aber sagen, dass die Basis die Politik der Partei unterstützt und damit legitimiert. Unsere Themen werden nicht von oben herab bestimmt, die Parteibasis muss schon dahinter stehen. Wie die innerparteiliche Demokratie bei uns funktioniert hat die Urwahl gerade erst gezeigt.

nnz: Die Welt hat gerade eine ganze Menge akuter Probleme, wie wollen Sie da Umweltschutz und Ressourcennutzung auf die Agenda heben?

Kespohl: Die Thematik steht nicht immer im Fokus, jedoch sehr wohl auf der Agenda, wie man auch immer wieder lesen kann. Ich will das Bewusstsein der Menschen für diese Probleme erweitern. Die Basis für einen nachhaltigeren Lebenswandel ist da und die Grünen sollten das weiter unterstützen. Wir haben die Chance als Grüne einen Mittelweg zu gehen, zwischen den „schwarzen“ und den „roten“ Themen.

nnz: Das wirft die Frage nach möglichen Koalitionen auf. Mit welcher Konstellation halten Sie es?

Kespohl: Ehrlich gesagt: ich habe keine Präferenzen. Hauptsache ist es grüne Themen in der Regierung zu platzieren. Ich will mich vom Parteigefüge nicht verbiegen lassen, nicht von Meinungen meiner eigenen Partei und nicht von der Berliner Politik. Ich kann nur Dinge vertreten, zu denen ich auch authentisch stehen kann.

nnz: Frau Kespohl, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Angelo Glashagel
Autor: red

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