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Lichtblick

Die Freiheit der Frau ist nicht verhandelbar

Freitag, 08. September 2017, 07:00 Uhr
In Fortsetzung seines letztwöchigen Lichtblicks möchte Superintendent Bálint heute ein konkretes Plakat in den Blick nehmen, dessen Inhalt mir auf den ersten Blick gut gefällt. Das Plakat hat einen guten Hauptslogan „Die Freiheit der Frau ist nicht verhandelbar“. Ein echter Lichtblick im Schilderwald vor der Bundestagswahl. So scheint es...

Doch die nähere Betrachtung macht diesem Eindruck schnell ein Ende. Ich will das an drei Stellen des Plakates verdeutlichen und beginne mit der mir einleuchtendsten:

Die Hauptüberschrift unterschreibe ich, losgelöst vom Plakat, vollumfänglich. Es sollte allen auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik fußenden Menschen eine der größten Selbstverständlichkeiten sein, obwohl Frauen erst seit dem 19. Januar 1919 das Wahlrecht in Deutschland haben - wir Deutschen selbst also noch nicht einmal seit hundert Jahren willens sind, Frauen als gleichberechtigt zu akzeptieren.

Das sollte uns demütig werden lassen beim Urteil über andere. Wir dürfen uns nicht als die Besserwisser der Welt verstehen. Schon aus der Zeit nach der friedlichen Revolution 1989 sollten wir (noch) wissen, dass das nicht gut ankommt und in der Regel auch nicht dazu führt, dass andere an unseren (zuweilen auch leidvollen) Erfahrungen partizipieren wollen. Frauen und Männer sind gleich frei und gleich berechtigt.

Die zweite Stelle auf dem Plakat zeigt eine verschleierte Frau in einem Niqab. Nur die Augen sind zu sehen. Mit der eben benannten Aussage bekommt die durchaus richtige Aussage eine negative Konnotation. Es unterstellt, dass alle Frauen unfreiwillig sind und gezwungen werden, eine/n Hijab, Tschador, Niqab, Bushiya oder Burka zu tragen. Das aber ist mitnichten der Fall, denn viele Muslima tragen diese Kleidung bewusst, teilweise auch mit Stolz oder aus Schutzbedürfnis in unserer als sexualisiert wahrgenommenen Gesellschaft.

Was mir persönlich unverständlich ist und was ich auf Ämtern und in öffentlichen Zusammenhängen auch nicht richtig finde, ist aber genauso vom Freiheitsgebot, das oben postuliert wird, gedeckt. Dieser Zusammenhang von Bild und Satz (erstaunlich, dass es mal ein ganzer Satz auf ein Plakat geschafft hat, oft sind es nur Ein-, Zwei- oder Dreiwortsätze!) ist falsch, denn niemand kann beweisen, dass das Tragen generell aus Zwang geschieht.

Der dritte Teil meiner Betrachtung liegt auf dem kleinsten und scheinbar unauffälligsten Detail: einem roten Kasten „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“.

Dieser Satz ist eine Negation des Satzes „Der Islam gehört zu Deutschland“, eine der wenigen erwähnenswerten Leistungen von Bundespräsident i.R. Christian Wulff, der ihn, lange nach Wolfgang Schäuble (2006 zur Eröffnung der 1. Islamkonferenz), am 3.10.2010 ausgesprochen hat.

Nun ist die Verneinung eines Satzes noch keine denkerische Leistung (so wie das Vorhaben, Eliten zu stürzen noch nichts darüber sagt, ob der Stürzende genügend Grips für die Nachfolge hat, wie wir überall auf der Welt sehen können), jedoch scheiden sich die Geister daran, ob die Verneinung stimmt.

Der Islam (kein Wunder bei seinem „Geburtsjahr“ um 622) gehört definitiv kürzer als das Christentum zu Deutschland und er tut es meist in Abgrenzung zum vorfindlichen christlichen Europa/ Deutschland. Als türkische Truppen 1529 vor Wien standen und der Untergang des christlichen Abendlandes nach damaligem Verständnis kurz bevorstand, da gehörte der Islam auch schon zu Europa (er beherrschte beispielsweise das Gebiet des heutigen Bulgarien) und damit zu Deutschland, obzwar es das Deutschland in heutiger Form noch gar nicht gab. Es waren zudem miteinander kämpfende bisherige Feinde und Ausländer, die das damalige Europa gemeinsam vor den Türken „bewahrten“ und konfessionelle Grenzen überwinden halfen. Dass es uns heute in der vorfindlichen Form als Deutschland gibt, haben wir u.a. Ausländern zu verdanken, paradox, nicht wahr?

In Summe komme ich zu dem Ergebnis, dass das vorfindliche Plakat eine gute und richtige Aussage hat, die durch zwei Zusätze bis zur Unkenntlichkeit verdunkelt wird.

Das ist schade und wieder einmal ein Beweis dafür, dass Ein-/Zwei- oder Dreiwortsätze, das einfache Lösungen und Parolen nicht dazu ausreichen, die Probleme unserer Zeit zu lösen. Es ist leider komplexer und deshalb oft so schwer zu lösen.

Wenn wir keinen Diktator wie den türkischen Ministerpräsidenten als Regenten wollen, dann müssen wir lernen, Prozesse mühsam und zuweilen auch zeitraubend zu gestalten, Minderheiten mit im Blick zu halten und den größtmöglichen Konsens herzustellen. Dies ist nicht immer einfach zu ertragen, aber es ist allzumal besser als die Alternative, pardon das Gegenteil, dass uns jemand sagt, was wir denken und tun sollen, wie wir es in zwei Diktaturen nachein­ander in Deutschland schon erlebten. Das hat Generationen von Deutschen ins Unglück geführt.

Nutzen wir, Männer und Frauen, also unser Wahlrecht, geben wir Menschen einen Auftrag, miteinander (nicht gegeneinander) nach dem Besten für unser Land mit allen seinen Herausforderungen zu suchen. Das wäre ein Lichtblick und auch die Erfüllung eines Wortes des Propheten Jeremia: „Suchet der Stadt Bestes…denn wenn es ihr wohlergeht, so geht’s euch auch wohl.“ (Jer 29,7)

Ein gesegnetes und angeregtes Wochenende wünsche ich Ihnen,
Ihr Superintendent Bálint

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Autor: psg

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