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Tipss vom AvD

Was tun bei Bußgeldern im Ausland?

Sonnabend, 31. Juli 2021, 08:32 Uhr
Deutschland hat als Reiseland Hochkonjunktur. Wer trotzdem ins Ausland fährt, nutzt unter den vorhandenen Bedingungen überdurchschnittlich das eigenen Auto, einen Mietwagen oder ein Wohnmobil. Bußgelder sollte man da freilich vermeiden, falls es einen aber doch trifft hat der Automobilclub ein paar Tipps...

Autofahrer müssen bedenken, dass Verkehrsvorschriften in europäischen Ländern nicht einheitlich sind. Der Automobilclub von Deutschland (AvD) informiert über länderspezifische Regelungen auf seinem Internet-Portal www.avd.de.

Bußen und Strafen wegen Verkehrsübertretungen sollten Urlauber aber allein schon aus Gründen der Verkehrssicherheit vermeiden. Nicht zuletzt, weil die Bußgelder in den Nachbarländern mitunter deutlich höher ausfallen als in Deutschland. Doch manchmal findet sich dennoch nach Rückkehr von der Reise unliebsame Post im Briefkasten. Der AvD gibt Tipps, was dann zu tun ist:

Bußgelder oft auch in Deutschland vollstreckbar
Das hinter den Scheibenwischer geklemmte Knöllchen am Urlaubsort oder der Bescheid nach Geschwindigkeitsmessung auf Straßen im Ausland muss in Deutschland nicht folgenlos bleiben. Die Vollstreckung ausländischer Bußen im Heimatland des Betroffenen ist seit einigen Jahren möglich. Die EU-Mitgliedstaaten haben ein entsprechendes Abkommen geschlossen. Bescheide aus anderen EU-Staaten ab 70 Euro, Verfahrenskosten eingeschlossen, können seitdem beigetrieben werden. Das Abkommen ist in allen Mitgliedstaaten der EU in Kraft. Doch auch hier hat der Brexit Folgen: seit dem 1. Januar 2021 sind Bußgelder oder Strafen wegen Verkehrsübertretungen in Großbritannien in keinem EU-Land mehr vollstreckbar.

Corona führte zu weniger Anträgen
Zuständig für die Bearbeitung der Bescheide und die Beitreibung in Deutschland ist das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn. Es prüft die eingehenden Ersuche ausländischer Behörden und ist auch für Vollstreckungen Bußen deutscher Behörden im Ausland zuständig. Die Behörde vermeldet seit Jahren steigende Anträge deutscher Ämter, hautsächlich zur Beitreibung in Polen, der Niederlande und Rumänien. Anfragen aus dem Ausland, die meisten aus den Niederlanden, hatten nach Auskunft des Amtes 2020 einen Rückgang zu verzeichnen. Ein „Coronaknick“ ist hier wegen der verminderten Mobilität in der Pandemie festzustellen.

Das BfJ prüft die eingehenden Ersuchen nach formalen Kriterien. Die ausländische Stelle muss einen rechtskräftigen Bescheid vorlegen. Sie muss weiter nachweisen, dass dem Betroffenen die wesentlichen Verfahrensdokumente in seiner Landessprache zugegangen sind und er ausreichend die Möglichkeit hatte, sich gegen den Vorwurf zu wehren.

Betroffene sollten auf Vorwürfe reagieren
Nach Feststellung der Vollständigkeit der Dokumente leitet das Amt das Ersuchen an den Betroffenen weiter zur Stellungnahme oder Bezahlung der Buße. Der AvD rät, in jedem Fall auf die Vorhaltung zu reagieren, nur so erhält man sich alle rechtlichen Möglichkeiten. Wichtig ist, zu klären, ob man selbst das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Vorwurfs gefahren hat. War das nicht der Fall, kann man das gegenüber dem BfJ einwenden. Auch eine ungenügende Beteiligung im Verfahren vor Ort ist ein Grund, die Zahlungsaufforderung zurückzuweisen.

Der AvD weist darauf hin, dass die Vollstreckung durch das Bundesamt für Justiz ein abgeschlossenes Verfahren im Ausland voraussetzt. Das BfJ ist lediglich für Vollstreckungsanfragen zuständig und nicht für die vorher im Ausland durchgeführten (und abgeschlossenen) Bußgeldverfahren. Deshalb sollte ein Autofahrer schon auf die vorher zugegangenen direkten Vorhaltungen aus dem Ausland antworten. Immer mehr Stellen, etwa in Italien, Frankreich oder den Niederlanden, geben die Möglichkeit, Unterlagen auf den Homepages ihrer Behörden per Codenummer in der Sprache des Betroffenen einzusehen. Außerdem werden die Verfahren abschließende Bescheide in deutscher Sprache versendet. Autofahrer sollten alle aus dem Ausland eingegangenen Schriftstücke aufbewahren. AvD Mitglieder haben zudem die Möglichkeit, sich bei AvD-Vertrauensanwälten kostenlos beraten zu lassen.

Inkassobüros haben keine staatlichen Befugnisse
Der AvD macht darauf aufmerksam, dass private Unternehmen versuchen, Park- und Mautgebühren sowie Bußen aus nichtgezahlten Umweltzonen-Tarifen beizutreiben. Es handelt sich dabei nicht um Behörden. Folglich können sie sich nicht auf EU-Bußgeldvollstreckung berufen. Solche Schreiben von Inkassounternehmen, wie etwa NIVI oder European Parking Collection sowie beauftragten Anwälten sollten nicht mit einer Zahlung beantwortet werden. Wer solche Mahnungen überprüfen lassen will, kann sich anwaltliche beraten lassen. Auch in diesen Fällen können sich AvD Mitglieder an einen AvD Vertrauensanwalt wenden.

Ausländische Haftstrafen können vollstreckt werden
Der AvD betont in diesem Zusammenhang, dass ein im Ausland verhängtes Fahrverbot oder ein Fahrerlaubnisentzug in Deutschland nicht unmittelbar vollstreckbar ist. Das angesprochene EU-Übereinkommen bezieht sich allein auf Bußen und Strafen. Auch werden im Flensburger Register keine im Ausland geahndete Übertretungen eingetragen.

Aber Vorsicht: Eine in der Schweiz wegen erheblicher Geschwindigkeitsübertretung verhängte Gefängnisstrafe gegen einen deutschen Fahrer hatte das OLG Stuttgart am Wohnsitz Deutschland für vollstreckbar erklärt. Der Vollzug der Haft sei trotz erheblicher Unterschiede bei den anwendbaren Strafen für Verkehrsdelikte möglich. Die im Verhältnis zur Schweiz anwendbare Vollstreckungshilfe sei nicht unverhältnismäßig und auf den deutschen Betroffenen anwendbar (OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.04.2018, Az. 1 Ws 23/18).
Autor: red

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