kyffhaeuser-nachrichten.de
Long Covid Selbsthilfe

Wieder auf die Beine kommen

Montag, 17. Januar 2022, 10:33 Uhr
Im März vergangenen Jahres infiziert sich Frau H. mit dem Corona-Virus. Zwei Wochen wird sie im Krankenhaus zubringen, die Folgen der Infektion spürt sie bis heute. Schwer war es für sie auch, "danach" Hilfe und Verständnis zu finden. Das soll sich nun ändern…



Frau H. aus Nordhausen möchte nicht namentlich genannt werden. In der vergangenen Woche hat sie mit Unterstützung des Gesundheitsamtes die Gründung einer Selbsthilfegruppe für „Long Covid“ Patienten angekündigt. Und weil das Telefon beim Gesundheitsamt in diesen Tagen nicht wirklich still steht, riet man ihr eine Privatnummer anzugeben.

Einige Betroffene hätten sich daraufhin gemeldet, leider aber auch einige "Personen", Frau H. hat an dieser Stelle für einige der Gesprächspartner deutlichere Worte, die ihr mit Nachdruck erklären wollten, warum ihre Erkrankung gar nicht so schlimm sei und sie sich nicht so haben solle, erzählt sie der nnz. Ihren Familiennamen hat sie daraufhin vom heimischen Anrufbeantworter gelöscht. Aber die Nummer für den Aufbau der Selbsthilfegruppe ist weiter erreichbar.

„Es geht um die Betroffenen und darum, jemanden zu haben mit dem man reden kann, nicht um politischen Meinungsaustausch“, sagt H., dafür wolle sie ihre Energie nicht verschwenden. Und Energie hat sie wieder, langsam aber stetig. Seit Weihnachten gehe es wieder bergauf. Ihre Infektion liegt da gute neun Monate zurück. Zwei Wochen lag die 50jährige Verkäuferin im Krankenhaus, Vorerkrankungen hatte sie nicht. Tatsächlich erwischt es die ganze Familie, aber sie hat mit den Folgen länger zu kämpfen.

„Ich hatte im Krankenhaus dann eine Lungenentzündung. Als es mir danach nicht so gut ging habe ich mir nichts dabei gedacht, schließlich hatte ich eine schwere Krankheit hinter mir. Ich bin einfach erschöpft, das wird schon wieder, dachte ich. Tatsächlich gingen die einfachsten Dinge nicht mehr. Die Spülmaschine ausräumen und Betten beziehen? Nicht ohne eine Verschnaufpause und Luft holen. Und das hat nicht aufgehört.“ Schließlich wendet sich Frau H. an die Medizin aber die kann nur bedingt helfen. „Klare Antworten gibt es noch keine, nur Ansätze aber keine Lösungen. Kein Medikament, das einem wieder auf die Beine hilft. Als Betroffener irrt man wirklich einfach umher“.

Ein Cortison-Spray soll helfen und lindert die Lage etwas, auch mit Blutverdünnern wird behandelt, für H. allerdings zu spät, sie wird eine Augenembolie erleiden und zwischenzeitlich auch den Geschmackssinn verlieren. Es gibt Phasen, in denen geht es ihr besser und solche, in denen es schlechter geht. Aus der stetigen Erschöpfung und der Suche nach Hilfe wird schließlich Frustration, die sich mit selbstgewählter Isolation paart. „Man zieht sich zurück, schränkt die sozialen Kontakte ein. Wenn ich die Wahl hatte mich mit Freunden zu treffen oder zu Hause zu bleiben, blieb ich lieber daheim, einfach weil ich wusste, das es anstrengend werden würde.“ Die Anstrengung ist, wie H. feststellt, nicht nur körperlicher Natur. Gesunden und gesund gebliebenen zu erklären, was mit ihr los war, sollte sich als schwierig herausstellen. Ähnlich wie bei Erkrankungen Depression oder Burnout seien die Folgen des Long Covid-Syndroms für Außenstehenden nur schwer zu fassen und für Betroffene entsprechend schwierig zu erklären.

Frau H. sucht weiter Hilfe und stößt auf ein Forschungsprojekt der Universität Leipzig, dass sich ambulant mit Post-Covid-Patienten befasst. Der nächste freie Termin den sie im September bekommen könnte: August 2022. Doch die Nordhäuserin hat Glück und kann vorzeitig durch eine Absage nachrücken. Es folgen viele Tests, neurologische und physiologische Untersuchungen, einfachste Aufgaben wie das Schreiben des eigenen Namens und Wortfindungsübungen stehen auf dem Programm.

An der Studie teilgenommen zu haben sei die eine Sache gewesen, sagt H., was ihr aber tatsächlich geholfen habe, sei der Kontakt mit anderen Long-Covid Betroffenen gewesen. „Es hat gut getan, mal mit jemanden reden zu können. Das löst freilich das Problem nicht, aber es hilft dem Gemüt ungemein.“ In größeren Städten gibt es entsprechende Selbsthilfegruppen, aber die liegen für die Nordhäuserin zu weit entfernt um praktikabel zu sein. Und so entschließt sie sich selber eine Selbsthilfegruppe aufzubauen. Bei dem Wie und Wo hilft das Gesundheitsamt des Kreises, hier gibt es eine eigene Stelle für die Betreuung diverser Gruppen.

Nach der Ankündigung in der vergangenen Woche hätten sich bereits vier Betroffene gemeldet, erzählt H. Kommende Woche will sie ihr Anliegen auch beim Nordhäuser Bürgerradio "ENNO" vorbringen und dann sehen, wie es weiter geht. Wer selber Interesse an einem Erfahrungsaustausch und an der Mitarbeit in dieser Selbsthilfegruppe hat, kann sich gern bei der Selbsthilfekontaktstelle des Landkreises Nordhausen melden, per E-Mail unter gesundheitsfoerderung@lrandh.thueringen.de bzw. telefonisch unter 03631 9115402 im Landratsamt, bzw. unter der Privatnummer 03631 998642 (evtl. auf AB sprechen, Rückruf erfolgt) bzw. unter 0152 31987573.
Angelo Glashagel
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2024 kyffhaeuser-nachrichten.de