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Krieg, Wissenschaft und Technik

Was am 3. Oktober auch geschah

Montag, 03. Oktober 2022, 11:17 Uhr
Der 3. Oktober ist neben dem politischen auch ein wissenschaftlich-technischer Jahrestag, denn am 3. Oktober 1942 erreichte erstmals ein von Menschenhand erschaffenes Gerät die Grenze zum Weltall – das sogenannte „Aggregat 4“, schreibt uns Gunther Hebestreit...

Mit dem Auftrag, eine weittragende Waffe zu entwickeln, gingen deutsche Wissenschaftler im Jahr 1932 einen „Faustschen“ Pakt mit der damaligen Reichswehr ein und nahmen die Herausforderung an, eine Rakete zu erschaffen, die eine militärische Nutzlast von 1000 kg über eine Entfernung von mindestens 250 km ins Ziel transportieren kann.

Es ist der konstante Irrweg der Menschheit, daß für nahezu alle Neuerfindungen nur das Militär genügende finanzielle Mittel bereitstellt, sofern eine militärische Nutzung in Aussicht steht. So auch im Fall der Raketenentwicklung.

In Ihrer Naivität, diese Waffen niemals einsetzen zu müssen, denn es war zu dieser Zeit Frieden, forschten die Wissenschaftler mit Enthusiasmus auf diesem völlig neuen und vielfältigen Gebiet, um der Menschheit den Weg ins Weltall zu bahnen, wenngleich dieser über eine Waffe führte.

Die Hauptaufgabenbereiche der Forscher waren, ein leistungsstarkes Triebwerk zu berechnen und zu entwickeln, den Treibstoff zu bestimmen, ein neuartiges Steuerungssystem zu erfinden und die Zelle entsprechend der Beanspruchungen zu erschaffen. Ein weiteres Fachgebiet stellten die Flugbahnberechnungen dar, für welche auch die Erforschung der Weltraumphysik notwendig war.

Dazu entwickelten die in der seit 1936 neu errichteten Heeres-Versuchsanstalt Peenemünde (HVP) auf der Ostseeinsel Usedom tätigen Forscher und Ingenieure unter der technischen Leitung des damals 24-jährigen Wernher von Brauns neuartige Instrumente, Maschinen und Anlagen wie z.B. den ersten Überschallwindkanal (bis Mach 5), den ersten Großcomputer usw..

Diese Arbeiten fanden schließlich am 3. Oktober 1942 ihren Erfolg, als um 15.58 Uhr (MEZ) das Versuchsmuster 4 startete, eine Maximalgeschwindigkeit von 4.824 km/h und eine Gipfelhöhe von 84,5 km bei einer Schußweite von ca. 190 km erreichte.

Der auf Grund dieses Erfolges zum Generalmajor beförderte militärische Leiter der HVP, Dr.-Ing. Walter Dornberger, konstatierte in seiner Festrede im Zinnowitzer „Schwabe’s Hotel“ (heute Palace-Hotel): „…Dieser dritte Tag im Oktober 1942 ist der erste einer neuen Ära im Transportwesen, der Raumfahrt...“ Es war der erste gelungene Großraketenstart der Menschheitsgeschichte.

Dem naiven Irrglauben der Wissenschaftler, unter dem damaligen Regime ihre Träume von der Raumfahrt verwirklichen zu können, setzten die Nationalsozialisten den befohlenen militärischen Einsatz (ab dem 08. September 1944) der nun vom Reichspropaganda-Minister in „Vergeltungswaffe 2“ („V2“) umbenannten Rakete entgegen und inhaftierten im März 1944 Wernher von Braun und zwei weitere Peenemünder Kollegen (Helmut Gröttrup, Klaus Riedel) im GESTAPO-Gefängnis in Stettin. Da sie ihre wissenschaftlichen Träume von der Raumfahrt immer wieder äußerten, wurde ihnen Sabotage vorgeworfen. Letztlich mußte Albert Speer Hitler davon überzeugen, diese Personen aus der Haft zu entlassen, um das Projekt nicht zu gefährden.

Diese weitreichende Erfindung spiegelt jedoch auch die Kontinuität des Mißbrauchs technischer Erfindungen für militärische Zwecke wider. Schließlich starben im Zusammenhang mit der Produktion tausende Menschen in Konzentrationslagern (Mittelbau-Dora) und auch im Verlauf des militärischen Einsatzes (London, Antwerpen, Paris usw.). In der Gesamtbetrachtung strahlt dagegen die Erschaffung der Grundlagen für die Raumfahrt mit ihrer positiven Nutzung für die Menschheit.

Leider wird in Deutschland dieser Tag - trotz seiner Ambivalenz – nicht als besonderer Meilenstein der Menschheit gewürdigt. Im Gegenteil, die „belehrende“ Geschichtsschreibung nimmt für die im Zusammenhang mit der Produktion getöteten Häftlinge des KL „Mittelbau-Dora“ auch besonders die Wissenschaftler, Ingenieur und Techniker in die Verantwortung und weist diesen eine Schuld an den Unrechtstaten zu, auf welche sie keinen oder höchstens geringen Einfluß hatten. Man kann den meisten Personen Opportunismus vorwerfen, sie jedoch als Hauptschuldige anzuprangern, entbehrt der Realität. Es gilt hierbei, die damalige Situation zu betrachten. Nur wer eine Diktatur erlebt hat, möge über diese Menschen richten.

Nicht die Wissenschaftler sind die Haupttäter – es waren und sind immer Politiker, die solche Verbrechen befehlen und technische Erfindungen mißbrauchen. Das beweist sich auch besonders in der Gegenwart an vielen Orten unseres Planeten.

Fakt ist der zivile Nutzen der Raketenentwicklung, welche die Möglichkeit der Raumfahrt eröffnete und für zahlreiche weitere sich daraus ableitende Wissenschaftsgebiete richtungsweisend war.

Zweifellos ist die damals in Deutschland in kürzester Zeit entwickelte Raketentechnik als eine der bedeutsamsten und genialsten Entwicklungen der Menschheit einzustufen.

„Die wissenschaftlich-technische Entwicklung hat im 20. Jahrhundert einen Quantensprung gemacht, doch die menschliche Reife ist leider nicht proportional mitgewachsen.“

(Zitat von Sigmund Jähn im Jahr 2008)
Gunther Hebestreit
Autor: red

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